Reisen zu Corona-Zeiten:
So war die Sommersaison im Berchtesgadener Land
Der Sommer ist vorbei. In den vergangenen Monaten hatte sich das Reisen in Deutschland fast schon wieder normalisiert. Aber konnte die Sommersaison den Komplettausfall des Winters ausgleichen? Oder wurden die Erwartungen sogar getoppt? Lassen sich Trends erkennen und wie schaut es für die Zukunft aus? Eine Bestandsaufnahme aus dem Berchtesgadener Land.
Über ein halbes Jahr musste die Gastronomie und Hotellerie im Landkreis coronabedingt geschlossen bleiben. Entsprechend groß war die Hoffnung, als im Mai der Lockdown endlich aufgehoben wurde – und sie wurde nicht enttäuscht. Dr. Brigitte Schlögl, Geschäftsführerin vom Bad Reichenhall Tourismus & Stadtmarketing GmbH, zieht eine sehr positive Bilanz: „Die endgültigen Zahlen liegen uns zwar noch nicht vor, aber generell war es ein sehr guter Sommer und wenn das Wetter mitspielt, könnte es bis in den Oktober so bleiben“. Besonders hoch sei die Auslastung im Juli und August gewesen und auch der September wird gut ausfallen – wenn auch nicht ganz so gut wie in 2020. Aber damals war die Reisefreiheit auch stark eingeschränkt und viele Deutsche, die es sonst weiter in den Süden zieht, machten Sommerurlaub im eigenen Land. Die Nachfrage stieg quasi von einem Tag auf den anderen extrem an, bestätigt Schlögl. Dagegen gestaltete sich ein Auslandsaufenthalt heuer schon wesentlich einfacher, die Reisewarnungen für die beliebten Baleareninseln wurde bereits zu Ostern aufgehoben.
Problemlos habe sich auch die Umsetzung der Hygieneregeln in der Hotellerie gestaltet, so Schlögl. „Soweit es uns bekannt ist, war das überhaupt kein Thema. Die Menschen sind froh, dass sie überhaupt wieder reisen können.“
Für 2022 wagt die Reichenhaller Tourismuschefin dann auch einen optimistischen Ausblick: Sie geht davon aus, dass es keinen erneuten Lockdown wie im vergangenen Jahr geben wird. Zuversichtlich stimmt sie zudem die Neueröffnung zweier großer Hotelprojekte, dem Luisenbad mitten in der Fußgängerzone und dem ehemaligen Hotel Panorama. „Wir haben in den letzten Monaten neue Zielgruppen bei uns begrüßen und zeigen können, wie schön es bei uns ist. Selbst wenn ihre Anreise zu einem großen Teil der Pandemie geschuldet war und diese Gäste künftig nicht ausschließlich bei uns urlauben werden, bin ich sicher, dass sie doch auch wieder mal nach Bad Reichenhall kommen werden.“
Noch mehr Fokus auf Nachhaltigkeit
Theresa Hallinger, Leiterin Destinationsmanagement beim Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden, blickt ebenfalls positiv auf den Sommer zurück. „Die Zahl der Übernachtungen liegt zwar leicht hinter denen von 2020, was aber auch dem Hochwasser im Juli geschuldet war. Da sind uns einige Betten weggefallen.“ Erfreulich sei dafür ein erkennbarer Trend bei der Aufenthaltsdauer. „Unsere Gäste, die zu über 95 Prozent aus Deutschland kommen, bleiben tendenziell wieder länger. 2019 waren es im August durchschnittlich 4,45 Tage und dieses Jahr schon 5,36 Tage.“ Das bestätigt auch Hotelier Hannes Lichtmannegger vom Rehlegg in der Ramsau. „Die Gäste bleiben länger, sie sind tendenziell jünger und bereit, mehr Geld auszugeben indem sie beispielsweise ein größeres, teureres Zimmer buchen.“ Für ihn ist auch klar: Durch die Pandemie hat das Thema Nachhaltigkeit beim Reisen noch mehr zugenommen, es sei „basisfähig“ geworden, so wie früher der Fernseher auf dem Zimmer. Seit 2017 ist das Rehlegg zertifiziert klimapositiv. „Die Gäste setzen sich damit verstärkt auseinander und informieren sich schon vor Reiseantritt umfangreich. Da spielt dann natürlich fürs ganze Berchtesgadener Land die Lage eine Rolle, der Nationalpark und die Biosphärenregion.“
Es fehlen Arbeitskräfte
Zufrieden mit der Sommersaison ist auch Johannes Hofmann, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes Berchtesgadener Land (DEHOGA). Er findet viel lobende Worte für die Gäste: „Das Hygiene-Kontrollsystem hat sehr gut funktioniert. Quer durch die ganze Gastronomie hatten wir, mit ganz wenigen Ausnahmen, ein fantastisches Publikum, das sich an alles gehalten hat. Vieles war aus dem vorherigen Jahr bereits eingespielt und Corona- und Luca App haben es noch einfacher gemacht.“
Erhebliche Problem sieht er woanders: Der Fachkräftemangel habe sich durch die Pandemie wesentlich verschärft. In der langen Schließungszeit sei der Branche viel von dem eh schon knappen Personal abhandengekommen. „Etliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen konnten von dem Kurzarbeitergeld nicht leben, Ersparnisse waren aufgebraucht. Sowohl Fachpersonal als auch Hilfskräfte haben sich im benachbarten Österreich neue Stellen gesucht, wo Lockerungen schon viel früher umgesetzt wurden. Oder sie sind gleich in andere Berufsfelder gewechselt und dort auch geblieben. Das hat unsere Hotellerie und Gastronomie im Sommer sehr zu spüren bekommen.“ Hofmann kann sowohl von Betrieben berichten, die die Sommermonate über eine anstrengende Sieben-Tage-Woche gefahren haben, um Verluste auszugleichen, als auch von solchen, die aufgrund von Personalmangel reduzieren mussten. „Drei Hotels im Landkreis haben teilweise keine Zimmer vermietet. Eines blieb komplett zu, weil es überhaupt keine Zimmermädchen gefunden hat.“
Die DEHOGA habe auf diese angespannte Situation bereits reagiert, so Hofmann. Seit drei Monaten stelle man zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit, der Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie den Berufsbildenden Schulen des Landkreises ein neues Berufskonzept auf. Es soll der Qualifizierung von Servicemitarbeitern und Köchen dienen und gegenüber einer normalen Ausbildung sehr verkürzt ablaufen. Somit richtet es sich auch an all diejenigen, die bereits in der Gastronomie jobben, aber keine neue, lange Lehre (mehr) machen wollen oder können. „Wir müssen endlich etwas unternehmen, um die Attraktivität der Ausbildungsberufe im Tourismus zu steigen – und das ist nicht alleine mit der Bezahlung getan. Unsere Branche hat durch die Pandemie erheblich an Krisensicherheit verloren“, so Hofmann.
(Text: Kathrin Thoma-Bregar)