Abgebranntes Unternehmen steigt wie Phönix aus der Asche
Förderlotse Lars Holstein und Flächenlotsin Barbara Platschka helfen Reifenszene B20 wieder auf die Beine
- Vollbrand zerstörte die Reifenszene B20
- Onlinehandel und Provisorium halten den Betrieb aufrecht
- Mit Zusammenhalt und klassischem bayerischen Förderprogrammen zum Neubau
Josef Lindner junior
Ein Kurzschluss zerstörte im August 2017 jäh den Geschäftsbetrieb der Reifenszene B20 in Feldkirchen (Gemeinde Ainring). Glück im Unglück: Kein Mensch kam zu Schaden. Hilfe in der Not gab die Berchtesgadener Land Wirtschaftsservice (BGLW) GmbH. Sie beriet den Unternehmer zu Fördermitteln für den Neubau und moderierte den Bauprozess.
Der Funke entzündete sich unbemerkt in der Mittagspause. Eine elektrische Überspannung verursachte in der Werkstatt einen Brand. Das Feuer fraß sich rasch durch das Gebäude, die Stichflammen wüteten lichterloh durch die Sommerhitze. Trotz aller Löschversuche wurde der Betrieb Opfer der Flammen und brannte bis auf die Grundmauern nieder. Inhaber Josef Lindner junior dazu: „Du hast das Gefühl, du stehst vor den Trümmern deiner Existenz.”
Online-Vertriebsschiene sichert Überleben
Nach dem ersten ungläubigen Schock sei er relativ gefasst gewesen, erinnert sich der Diplom-Volkswirt. Er entstammt einer renommierten Walser Reifenhausfamilie, ist in dritter Generation tätig und führt die Filiale im bayerischen Ainring seit 2007. Eine große Stütze ist ihm sein Standortleiter Sigi Belz, der seit 2008 im Unternehmen ist und speziell das Thema Autotuning noch stärker voranbrachte. Die 15 Mitarbeiter, darunter drei Auszubildende, und die Familie zauderten nach der ersten Verzweiflung nicht lange, schauten nach vorne und halfen tatkräftig zusammen. Neben der stationären Werkstatt und dem Handel vor Ort betreibt die Reifenszene B20 einen regen Internet- und Großhandel. Das Unternehmen verkauft nach ganz Europa, der Anteil der online verkauften Reifen macht inzwischen 60 Prozent aus. Das Internet-Standbein kam dem Unternehmen trotz des dort herrschenden Preisdrucks in der Krise zugute. Seit 2013 gibt es eigene Stellen für den Online-Handel. Der stationäre und der Internet-Handel sind im Unternehmen voneinander abgetrennt. „Es gibt nur bedingt Berührungspunkte”, erklärt Inhaber Josef Lindner junior. Eigene Lager und Kommissionsflächen und ein eigenes Büro für das „Pricing” sind notwendig, ein Lagerist kümmert sich nur um die Online-Ware.
Förderlotse zeigt Hilfen auf - Immobilienlotsin unterstützt Neubau
Ein Bangen und Hoffen sei es gewesen, ob die Versicherung bezahle und nicht Fahrlässigkeit unterstelle, so Lindner. Die Sorge erwies sich als unbegründet. Dem Unternehmer war es möglich, ein benachbartes leerstehendes Grundstück anzumieten, nach einem Monat standen dort die Container und die Firma konnte wieder arbeiten. „Das war unser Glück, sonst würde es uns so nicht mehr geben”, ist Lindner überzeugt. „Dann kam Lars Holstein ins Spiel”, berichtet Lindner. Der Förderlotse der BGLW machte ihn auf Förderprogramme aufmerksam, für die die Reifenszene B20 die Voraussetzungen mitbringt. Die zuständige Behörde bei der Regierung von Oberbayern verhielt sich gegenüber dem „abgebrannten Unternehmer“ aus dem Berchtesgadener Land sehr kooperativ, erzählt Lindner. Die Förderung mache insgesamt circa zehn Prozent der förderfähigen Kosten aus. Im Rahmen des Bayerischen Regionalen Förderprogramms für die gewerbliche Wirtschaft werden Investitionen von Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Handwerk, Tourismus und sonstige Dienstleistungen unterstützt. Gefördert werden einzelbetriebliche Investitionen in materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter des Sachanlagevermögens, die Förderquote ist abhängig von der Investitionshöhe. „Auch wenn es nur ein Bruchteil der Investitionskosten ist, so ist es trotzdem eine große Hilfe”, erklärt Josef Lindner junior. „Man tut sich auch bei der Bank mit der Kreditaufnahme leichter.”
Co-Working-Arbeitsplätze im Neubau
Eineinhalb Jahre nach dem Brand kam dann eine weitere erlösende Nachricht: die Baugenehmigung lag im Briefkasten, der Neubau konnte sofort beginnen. Auch hier sorgte die Berchtesgadener Land Wirtschaftsservice GmbH mit ihrer Flächen- und Immobilienlotsin beim Landratsamt für eine raschere und reibungslosere Bearbeitung. Die Investitionskosten liegen bei rund zweieinhalb Millionen Euro. Seit Anfang 2019 ist der Neubau in Arbeit. Durch die Corona-Zwangspause verzögert sich die Fertigstellung heuer um circa vier Monate. Im Herbst 2020 ist der Einzug vorgesehen. Der Neubau ist doppelstöckig unterkellert und mit einem Lastenaufzug ausgestattet. Im Keller ist das Lager vorgesehen. Das circa 900 Quadratmeter große Erdgeschoss wird die Werkstatt, im Obergeschoss entstehen drei Wohneinheiten und Büros. Auch hier geht Josef Lindner Junior neue Wege. Die Büros decken nicht nur den eigenen Bedarf ab, sondern dort wird es auch Co-Working-Arbeitsplätze geben, die an Selbständige oder Unternehmen vermietet werden.
Hilfe zulassen und positiv denken
„Unsere Zentrale in Wals war durch den Familienverbund ein finanzieller Rückhalt”, sagt der Reifenszene-B20-Inhaber kurz vor der Neueröffnung rückblickend. Großes Lob spricht er seinen Mitarbeitern aus: „Wir müssen seit drei Jahren unter erschwerten Bedingungen arbeiten, sitzen zu viert im Containerbüro. Alle haben das super durchgestanden und an einem Strang gezogen.” Auch er selbst ist kein Mensch, der sich so schnell unterkriegen lässt: „Solange du positiv denkst und du zulässt, dass dir Menschen helfen und sie dich unterstützen, wird alles viel leichter.” Diese Hilfe und Unterstützung erfuhr er von der BGLW. Lindner resümiert: Negativ seien natürlich die Umsatzeinbußen gewesen. Positiv dagegen sei, dass er jetzt ein neues Gebäude auf die Bedürfnisse der Firma zugeschnitten habe.
Tanja Weichold
(25.08.2020)