Olav Carlsen, BGLW-Mitarbeiter Scaleup4Europe, erklärt, worum es in dem Projekt geht und wie Unternehmen und Scaleups zusammen kommen:
Bei dem Projekt Scaleup4Europe geht es darum, Innovationen in die heimischen Unternehmen zu bringen. Warum sind Innovationen überhaupt so wichtig?
Olav Carlsen: Erfolgreiches, unternehmerisches Wirtschaften hängt stark davon ab, sich weiter zu positionieren im Markt, auch wenn man gerade Erfolg hat. Strategisch gedacht muss jedes Unternehmen seine Produkte, seine Services und vielleicht sogar die gesamte Produktpalette weiterentwickeln und dabei auch einmal in neue Unternehmensbereiche gehen. Das ist Innovation im Produktbereich. Es gibt aber auch Prozessinnovation, Finanzierungsinnovation, Mitarbeiterinnovation. Sämtliche Unternehmensbereiche müssen immer mal wieder sporadisch oder kontinuierlich überdacht werden, weil sich die Anforderungen ändern. Wir sehen gerade jetzt in der Krise, dass Althergedachtes jetzt über den Haufen geworfen werden muss und sich Unternehmen flexibel auf neue Situationen einstellen müssen. Mit statischem Erfolg kann man sich nicht lange am Markt halten.
Welche Rolle spielt Scaleup4Europe bei den Innovationsvorhaben der Unternehmen?
Unternehmer haben jeden Tag einiges zu bedenken. Innovationsmanagement ist eines davon und kommt oft unter die Räder, weil sie sich taktisch verhalten und auf kurzfristige Probleme am Markt, mit Kunden oder mit Mitarbeitern reagieren müssen. Oft bleibt für das strategische, lange Denken keine Zeit. Außerdem ist es auch ein Kostenfaktor, Innovationen weiter zu bringen. Ein modernes Unternehmen kann sich auch mit der Umwelt verknüpfen, um Zugang zu Innovationen zu bekommen, die überhaupt nicht im eigenen Betrieb entwickelt werden können. Die Ideen werden heute weltweit rund um die Uhr entwickelt aber der Zugang ist unglaublich schwer, wenn man im Alltagstrott ist und taktischer entscheidet. Deswegen ermöglicht Scaleup4Europe flexiblen Zugang zu Innovationen, die von jungen, ideenreichen Menschen ausgedacht werden. Und zwar nicht nur punktuell in der Nachbarschaft, sondern global. Das ist ein großer Wettbewerbsvorteil.
Wie profitieren speziell die Unternehmer des Berchtesgadener Landes davon?
Wir haben hier hochinnovative Unternehmen, große Industrieunternehmen, viele sogenannten Hidden Champions, die man in der touristisch vermarkteten Region gar nicht erwarten würde. Diese Unternehmen bekommen durch Scaleup4Europe Zugang zu einem Ökosystem, das es sonst nur in Metropolregionen wie München, Berlin, New York geben würde. Für die Unternehmer der Region ist das ein Riesenvorteil, weil sie nicht auf die schwer zugänglichen Ökosysteme in den Metropolregionen angewiesen sind.
In dem Projekt gibt es vier sogenannten Labs: „Smart Region/City“, „Health Technology“, „Agile Manufacturing“ und „Agricultural Tech“. Was versteht man unter dem Begriff „Lab“?
Olav Carlsen: Die Scaleup-Labs sind keine Labore, in denen Menschen mit weißen Kitteln herumlaufen. Es handelt sich um virtuelle Räume, in dem sich interessierte Partner treffen und ihren Bedarf und ihre Angebote zu beiderseitigem Nutzen austauschen können. Neben Scaleups und Unternehmen gibt es Mentoren, die vermitteln und einen Bedarf erkennen können, der sich auf den ersten Blick vielleicht nicht erschließt. Neben den Mentoren sind auch Forschungs- und Entwicklungsinstitutionen dabei, wie die FH Salzburg, TH Rosenheim oder die TU München, die durch einen Zugang zu großen Datenbanken Unternehmern helfen können, zu Lösungen zu kommen.
Die BGLW und die UnternehmerTUM leiten das „Smart Region“ Lab. Was steckt dahinter und welche Rolle spielt dabei verantwortungsvolles Wirtschaften?
Bei Smart Region geht darum, in einem Gebiet alle beteiligten Gruppen wie Verbraucher, Unternehmer, öffentliche Verwaltung zu vernetzen, um das Leben in der Region zu verbessern. Von der Mobilität über Datenmanagement bis hin zu Energiemanagement. Da spielt das Konzept Nachhaltigkeit und verantwortungsvolles Wirtschaften eine große Rolle mit dem Ziel, eine Region attraktiver zu machen. Im persönlichen Bereich oder eben im Wirtschaftsbereich. Schließlich sind Bürger und Unternehmer voneinander abhängig. Über Arbeitsplätze, Gehaltszahlungen, Nutzung von Ressourcen. Es geht nicht darum einem einzelnen einen Vorteil zu verschaffen, sondern eine Win-Win-Situation für alle zu erzielen.
Heißt das, Unternehmen im Berchtesgadener Land können nur Innovationen aus dem Bereich Smart Region nachgehen?
Olav Carlsen: Nein. Wir leiten das Smart Region Lab, sind aber aktiver Teil aller anderen Labs und haben entsprechend Zugang zu den Innovationen. Zum Beispiel wie Produktionsprozesse verschlankt, Wertschöpfungsketten gemanagt oder Mitarbeiter mit neuen Standards geführt werden.
Wie kommen Scaleups und Unternehmen zusammen?
Olav Carlsen: Von den interessierten Unternehmen aus der Region brauchen wir sogenannte Suchfelder, die den Bedarf an Innovationen anzeigen. Das darf auch weitgefasst sein, wie beispielweise die Frage nach Lösungen im Supply Management, in der Qualitätssicherung oder im Mitarbeitermanagement. Aber natürlich sind auch konkrete Fragestellungen möglich. Mit diesem Bedarf treten die Unternehmen der Region dann an uns, die Berchtesgadener Land Wirtschaftsservice GmbH, ran. Wir halten parallel Ausschau nach Startups, die technologisch soweit sind und sich auch an einen neuen Markt anpassen können. Der letzte Schritt ist dann das Zusammenführen der Unternehmer mit ihrem Bedarf und der Startups mit ihren Lösungen. Das kann auch umgekehrt erfolgen. Das heißt, dass wir ein super Startup haben und uns überlegen, welches Unternehmen könnte von dieser Innovation profitieren.
Gibt es schon Beispiele für Innovationsthemen, an denen gearbeitet wird?
Olav Carlsen: Aktuell sind wir auf der Suche nach Scaleups, die sich speziell mit Innovationen in Zusammenhang mit den Folgen der Corona-Krise auseinandersetzen. Ich kenne kein Unternehmen von München bis ins Berchtesgadener Land, was nicht durch die aktuelle Krise eine Veränderung erfährt. Ob in ihrer Produktausrichtung, im internen Management, bei den Prozessen oder der Rohstoffbeschaffung. Wir haben gesehen, dass es plötzlich keine Medikamente mehr gibt, weil alles aus China kommt. Solche Prozesse werden neu überdacht, um Risiken bei ähnlichen Situationen zukünftig zu minimieren.