Die Bürgermeister zur wirtschaftlichen Situation in der Corona Krise
Hans Feil, Bürgermeister Laufen
Wie geht es der Wirtschaft in Laufen?
Unser größtes Problem in der Corona-Krise ist die Grenzschließung. Selbst der Lebensmitteleinzelhandel, der ja von Anfang an geöffnet bleiben durfte, hat große Einbußen zu verzeichnen, weil der Kundenkreis aus Österreich weggebrochen ist. Auch wenn die anderen Geschäfte wieder aufmachen können, fehlen uns die Kunden aus dem Nachbarland.
Oberndorf und Laufen sind fast wie eine Stadt, deshalb treffen uns die Maßnahmen doppelt hart, da hilft auch die Öffnung des restlichen Einzelhandels nichts. Und jetzt zeigt sich auch noch, dass die Bürgerinnen und Bürger derzeit im Kaufverhalten noch sehr zurückhaltend sind.
Derzeit gibt es bezüglich der Grenzöffnung noch keine Perspektive.
Leider nicht. Ich kritisiere ganz stark, dass es an den Grenzen in Deutschland keine einheitliche Regelung gibt. Belgien und die Niederlande sind viel schwerer betroffen als Österreich, und dort wird nicht kontrolliert, die Grenzen sind offen. Dass sie bei uns geschlossen sind, ist ein reines Politikum.
Wie wirkt sich die Krise auf die Kommune aus?
Die Auswirkungen auf die Gewerbesteuer sind derzeit sehr marginal, weil wir von der Struktur her viele kleine Betriebe haben, die unter den Freibeträgen liegen. Anträge auf Stundungen liegen uns nur ganz wenige vor. Wir rechnen zwar damit, dass da noch was kommt aber im Moment sind mögliche Einbußen im Haushalt nicht abzusehen, wir brauchen noch keine Haushaltsanpassung. Bei der Einkommenssteuer würde man es sowieso erst zum Jahresende sehen.
Sind Investitionen gestoppt?
Nein, weder aufs Eis gelegt noch abgesagt. Die große Tiefbaumaßnahme im Bereich Oberheining wurde bereits begonnen, sie hat ein Volumen von knapp 1,4 Millionen Euro.
Was kann die Kommune für Laufens Wirtschaft tun?
Es kommen immer wieder Hilferufe, anfangs ging es um Fragen zu den staatlichen Zuschüssen, jetzt geht es fast ausschließlich um die Grenzschließung und die fehlende grenzüberschreitende Kundschaft. Das Problem betrifft übrigens die österreichische Seite genauso. Wir als Kommune sind da machtlos. Die Grenzöffnung kann auch der Freistaat nicht entscheiden, sondern nur das Innenministerium in Berlin.

Franz Rasp, Bürgermeister Berchtesgaden
Wie ist die Stimmung in Berchtesgaden?
Wir spüren die Krise auf Schritt und Tritt. Der Ort ist für diese Jahreszeit wie ausgestorben. Viele öffentliche Einrichtungen wie Bücherei, Rathaus und Finanzamt sind geschlossen. Es herrscht wenig Betriebsamkeit, es sind fast keine Leute unterwegs, das wirkt fast schon gespenstisch.
Wie wirkt sich die Situation wirtschaftlich auf die Kommune aus?
Die Auswirkungen auf den Gemeindehaushalt sind beträchtlich, nach der ersten Abschätzung werden sich unsere Gewerbesteuer und Fremdenverkehrsabgabe halbieren, das macht rund zwei Millionen Euro aus, was für eine kleine Gemeinde wie Berchtesgaden einen enormen Kraftakt bedeutet. Das Thema Einkommenssteuer können wir derzeit ganz schwer einschätzen.
Was heißt das für das laufende Haushaltsjahr?
Wir müssen natürlich unseren Finanzplan anpassen, aber wir haben noch keine Haushaltssperre verhängt. Durch das sparsame Wirtschaften der letzten Jahre können wir die Verluste schultern, wenn auch mit einem Nachtragshaushalt - aber ohne Neuverschuldung in diesem Jahr. Genaueres können wir jetzt noch nicht sagen. Erst wenn der Lockdown zurückgefahren wird und man sehen kann, wie schnell die Leute wieder Einkaufsmöglichkeiten oder die Gastronomie nutzen, kann die Zukunft besser eingeschätzt werden.
Wie steht es um kommunale Investitionen?
Ich bin davon überzeugt, dass die Gemeinde gerade jetzt investieren muss, wo für viele heimische Unternehmen private Investitionen wegbrechen. Deshalb haben wir ganz bewusst den Umbau an der Grundschule planmäßig begonnen und nutzen aus, dass dort gerade keine Schüler sind. Der Gemeinderat hat auch noch beschlossen, dass wir umfangreiche Straßensanierungsprojekte mit EU-Fördergeldern und einem Investitionsvolumen von 1,2 Millionen Euro angehen werden, der Auftrag geht an eine regionale Firma. Das Kindergartenprojekt Rosenhof wird ebenfalls ungebremst weitergeführt, weil wir einfach den Bedarf haben. Der Zeitplan ist im Soll.
Wie geht es den Betrieben in Berchtesgaden?
Je nachdem wen man fragt. Aber als eine stark vom Tourismus geprägte Region sind natürlich nicht nur der Handel, sondern vor allem unsere Gastronomie und Hotellerie von den enormen Einschnitten sehr betroffen. Die Stimmung schwankt zwischen resigniert und kämpferisch. Weil bis gestern Perspektive und Planbarkeit gefehlt haben, aber das könnte sich ja jetzt ändern. Ersten Anzeichen zufolge könnte es zu Pfingsten wieder losgehen. Österreich war da bisher ein guter Gradmesser und ist uns circa zwei Wochen voraus. Allerdings: Ein Hotel zu eröffnen, wenn die Gäste Mundschutz tragen müssen und der Wellnessbereich nicht genutzt werden kann, ist schwierig. Dort wird ja keine Ware verkauft, sondern Erlebnis und Erholung. Hier sind noch viele Fragen offen.
Was sollten Verantwortliche jetzt machen?
Es geht jetzt im Tourismus darum, keine Rabattierungsaktionen zu fahren, sondern ganz klar das Thema Wertschöpfung in den Mittelpunkt zu stellen, man muss an der Qualität arbeiten und dafür einen entsprechenden Preis etablieren. Das was die BGLW an Sofortmaßnahmen und Ansprechpartner für alle Betrieb aufgesetzt hat, und an dem auch die Touristiker mitgearbeitet haben, ist sehr gut. Es braucht künftig ein Miteinander und kein Nebeneinander.
Was kann Ihre Kommune tun?
Die Investition laufen wie gesagt weiter, sämtliche Gebühren werden auf Antrag zinslos gestundet Kindergartengebühren müssen selbstverständlich nicht gezahlt werden, wenn die Kinder nicht in den Kindergarten gehen können. Beim Handel geht es drum, dass wir die inhabergeführten Geschäfte in der Fußgängerzone und der Region stärkt und Eigeninitiativen stützt. Wir haben bei uns einen sehr rührigen Gewerbeverein, die „Aktiven Unternehmen Berchtesgaden e.V.“. Die bekommen von uns Geld und Manpower, um die weggefallenen Aktionen und Veranstaltungen wie das Marktfest oder Aktionen an Einkaufsonntagen bestmöglich kompensieren zu können.
Wie stark fehlen Tagesausflügler und Urlauber?
Man muss jetzt mal klar sagen, wenn man sich die heutige Situation bei uns in den Geschäften anschaut, sollte sich die Diskussion über „Overtourism“ für die nächsten paar Jahre erledigt haben. Weil wir merken, dass unsere tolle Struktur und die große Bandbreite die wir an kleinen Geschäften haben, nur funktionieren wenn Gäste - auch Tagesgäste - da sind. Sonst könnte ein Großteil nicht überleben.
Sind verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften in der Corona-Krise besonders gefordert?
Wir müssen darüberhinausgehend mehr tun und antizyklisch investieren, um abzufedern, was im Privaten wegfällt und das ist dauerhaft natürlich nicht nachhaltig und bedeutet im Extremfall auch neue Schulden. Aber wir müssen es jetzt investieren, über das normale Maß hinaus.
Was ist mit mehr regionalen Vergaben?
Sehr gerne, wenn die Vergaberegeln das nicht unterbinden würden. Wir nutzen alle Spielräume, die wir haben. Bei der Grundschule sind von vier Millionen Euro bereits fast 90 Prozent vergeben und davon wiederum 90 Prozent im Landkreis, der Rest geht in den Nachbarlandkreis.
Außerdem hatten wir bis vor nicht allzu langer Zeit Probleme, überhaupt regionale Handwerker zu bekommen. Das hat sich in den letzten Wochen gewandelt, jetzt zeichnet sich ab, dass bis zum Ende des Jahres große Kapazitäten bei den Firmen freiwerden. Momentan sind sie noch ausgelastet.
Wie schaut es mit regionalen Wertschöpfungsketten aus?
Wir haben unseren gemeindlichen Schlachthof biozertifizieren lassen, um das Thema regionale Produktion und hohe Wertschöpfung noch mal zu verstärken.
Und die Berücksichtigung von Biodiversität?
Wir sind neben den Staatsforsten einer der größten Bergwaldbesitzer im südlichen Landkreis und haben mit dem Berchtesgadener Bürgerwald ein Vorzeigeobjekt, was ökologische Waldbewirtschaftung angeht. Zudem gibt es bei uns schon lange kein Pflanzenschutzmittel mehr, wir beseitigen Unkraut mit Heißdampf, das kostet mehr aber ist es uns wert.
Wie wichtig ist nachhaltige Bauweise?
Die Frage ist, wie viel Fläche man in seiner Generation in Anspruch nehmen will und was man in Zukunft macht. Wir waren da bei der gemeinsamen Bauleitplanung der fünf Talkreisgemeinden federführend und sind die ersten, die den Flächennutzungsplan auch umgesetzt haben. Bemerkenswert finde ich, dass bei uns kein einziger Quadratmeter als neues Gewerbegebiet ausgewiesen wird, weil wir klar sagen, dass unsere Flächen das nicht hergeben. Anders ist es beispielsweise in Bischofswiesen. Wir müssen kein Wettrüsten um Gewerbeflächen machen auch wenn das eine Nichtmaximierung der Gewerbesteuer bedeutet.
Wie schaut Nachhaltigkeit bei Wohnraum aus?
Wir gehen sehr sorgsam mit dem Gut Landschaft um und verdichten nur noch nach oder runden ab. Das ist nicht der einfache Weg, weil man damit immer Nachbarschafts-Betroffenheiten schafft. Aber wir schauen drauf, dass Siedlungsentwicklung nur da stattfindet, wo sie angebunden ist, wo man auch zu Fuß zum Einkaufen gehen kann und eine Bushaltestelle in der Nähe hat, wo man als älterer Mensch und ohne Auto leben kann. Deshalb haben wir uns gedanklich auch von dem Einfamilienhaus mit Garten verabschiedet, das ist zwar der Wunsch eines Jeden aber nicht zukunftsfähig. Der Flächenverbrauch ist am größten und ein Normalverdiener kann sich das gar nicht mehr leisten. Aktuell planen wir als Kommune gemeinsam mit dem Wohnbauwerk sieben Reihenhäuser, die nach sozialen Aspekten und zum Festpreis an einheimische Familien verkauft werden. Gefühlt ist die Nachfrage sehr groß.

Thomas Weber, Bürgermeister Bischofswiesen
Wie spüren Sie in Ihrer Kommune die Auswirkungen der Corona-Krise?
Es fragen bereits Gewerbetreibende bei uns um Stundung der Bescheide für Wasser, Kanal und Gewerbesteuervorauszahlungen an. Aber es ist noch überschaubar. Wie uns die Krise als Kommune finanziell treffen wird, können wir nicht sagen. Aber wir haben den Haushalt durch den Gemeinderat bereits neu angepasst und dabei vorsichtig geschätzt, dass uns bei der Gewerbesteuer heuer 35 bis 40 Prozent wegbrechen werden. Angesichts von Entlassungen und Kurzarbeit sind wir auch mit der Einkommenssteuer runtergegangen und zwar um 25 Prozent, normalerweise haben wir hier immer rund vier Millionen Euro angesetzt.
Das sind keine kleinen Summen.
Im Vergleich zu uns trifft es eine Gemeinde wie Berchtesgaden im Moment deutlich stärker, weil sie sehr viel mehr auf den touristischen Bereich ausgerichtet ist. In Bischofswiesen ist der Tourismus zwar auch sehr wichtig, aber die deutlichere Ausprägung hat bei uns das Gewerbe.
Und da sind wir anders als wie noch vor ein paar Jahren nicht mehr ausschließlich von der Automobilzulieferungsindustrie abhängig. Wir haben mittlerweile einen guten Branchenmix ansiedeln können und unsere Firmen im Bereich Automobilzulieferer haben sich zusätzlich weitere Standbeine aufgebaut.
Wie wirken sich die Haushaltseinsparungen aus?
Der Haushalt ist deutlich reduziert, wir haben Einsparungen durchgeführt sowie Investitionen rausgeschoben, die der heimischen Wirtschaft nicht schaden, die Neuanschaffungen von Feuerwehrfahrzeugen oder Unimogs beispielsweise. Wir finden es aber sehr wichtig, dass wir als Kommune die Investitionen nicht so weit zurückschrauben, dass wir unsere Wirtschaft zusätzlich in den Boden fahren. Die angepasste Vergabeordnung macht es uns derzeit zum Glück leichter, Aufträge an regionale Firmen zu vergeben. Unser Motto ist also: Sparen wo es Sinn macht, Maßnahmen verschieben, wo es möglich ist und nicht am falschen Ende, sprich, die heimischen Betriebe zu unterstützen. Unser Megaprojekt „Neubau Mittelschule Bischofswiesen“ geht deshalb auch ganz normal weiter.
Wie wichtig ist besonders in der Krise der Kontakt zu den Unternehmen?
Sehr wichtig. Ich erkundige mich regelmäßig, einige kommen auch mit ihren Fragen und Anliegen direkt auf uns zu. Ein Beispiel ist die Jugendherberge in der Strub. Die Betreiber standen wirklich mit dem Rücken an der Wand, weil die Soforthilfe für den Verein nicht gegriffen hat. Als Gemeinde haben wir in Abstimmung mit der Leitung sofort alle Vorauszahlungen ausgesetzt und in Zusammenarbeit mit der BGLW konnte dahingehend gewirkt werden, dass das Bayerische Kabinett die Zuschussrichtlinien geändert hat und nun auch die Jugendherbergen davon profitieren. Und gerade vorhin habe ich eine Mail von Sportmode Krenn bekommen, die überglücklich sind, dass sie nun trotz einer Verkaufsfläche von über 800 Quadratmeter die Möglichkeit haben, unter Einhaltung bestimmter Vorgaben, ihr Geschäft zu eröffnen. Auch da konnten wir mit Unterstützung der BGLW und der Staatsministerin intervenieren.
Bekommen verantwortungsvolles und nachhaltiges Wirtschaften durch die Corona-Krise für Ihre Kommune noch mal mehr Bedeutung?
Da die Vergabeordnung etwas gelockert wurde, können wir jetzt wesentlich mehr auf regionale Unternehmer beauftragen. Ich würde mir wünschen, dass das so bleibt. Im Bereich Gewerbe werden wir bei den Vergaben weiter unseren Branchen-Mix verfolgen, wir setzen den Schwerpunkt auf produzierendes Gewerbe, das große Wertschöpfung für die Region bringt, das Ausbildungs- und verschiedene Arbeitsplätze bis hin zum Ingenieur bietet.
Die Grundsätze unserer Bauleitplanung sind bereits sehr ressourcenschonend. Grundstücke weisen wir nur aus, wenn ein deutlicher Überbedarf vorhanden ist und dann bevorzugen wir nachhaltiges Bauen, gerne mit Holz aus der Region. Hier haben wir bereits Kontakt zu den Staatsforsten und uns wurde signalisiert, dass das beim Bau unseres Bürgerhauses möglich wäre, das wäre optimal regional und nachhaltig. Ich persönlich glaube, dass die Menschen allgemein wieder mehr auf Regionalität schauen werden.
Das Interview führte Kathrin Thoma-Bregar
