Laufende Fixkosten bei Ertragsausfällen
Der Prokurist der BG Klinik für Berufskrankheiten in Bad Reichenhall, Dipl. VWirt (FH) Albert Duschner im Interview zu den Folgen der Corona-Krise für Kliniken

Hat Sie Corona kalt erwischt?
Albert Duschner: Wir hatten schon vermutet, dass Probleme auf uns zukommen und bereits ab Ende Januar in enger Absprache mit der Geschäftsführung und dem Konzern reagiert. Wir haben niemanden mehr aufgenommen, der in einem Risikogebiet war und unsere österreichischen Mitarbeiter mussten zuhause bleiben. Außerdem haben wir unser Haus früh für den Besucherverkehr geschlossen und unsere Patienten laufend informiert, über unsere Bildschirme und schriftlichen Hinweisen. Wir haben weit vorher schon Händehygiene und Niesetikette eingeführt. Denn die Atemwegspatienten in unserer Rehaklinik gehören zum großen Teil nicht zur Risiko- sondern zur Hochrisikogruppe.
Was passierte dann?
Albert Duschner: Als am Freitag den 20. März mit der Allgemeinverfügung die Anordnung der bayerischen Staatsregierung kam, alle Rehakliniken zu leeren, waren wir auf gutem Weg. Innerhalb von zwei Tagen hatten wir über 60 Patienten, teilweise mit Begleitpersonen, nach Hause geschickt. Wir haben Fahrgelegenheiten organisiert, wo es nötig war. An diesem besagten Freitag konnten wir die letzte Patientin mit dem Taxi in die Heimat bringen lassen.
Mussten Sie Sars-CoV-2-Patienten aufnehmen?
Albert Duschner: Ja, anfangs hatten wir bei uns zwischen zwölf und 15 Patienten, überwiegend älter, die nicht mehr im Akutkrankenhaus sein und nicht mehr beatmet werden mussten, aber noch sauerstoffpflichtig waren. Die Betroffenen befanden beziehungsweise befinden sich in Rekonvaleszenz und Quarantäne – derzeit sind es bei uns noch fünf – und können noch nicht ins Pflegeheim oder nach Hause zurück. Außerdem haben wir bereits drei Post-Covid-Patienten in Behandlung, die sich bei ihrer beruflichen, medizinischen Tätigkeit infiziert haben. Alle leiden noch unter den Folgeschäden. Das wird zunehmen, dass die Menschen, die in diesen Berufen arbeiten und sich dabei infiziert haben, rehabilitiert werden müssen.
Welche Vorkehrung mussten sie für die Unterbringung von Corona-Patienten treffen?
Albert Duschner: Unsere Klinik ist kein Akutkrankenhaus, Akutpatienten waren auch ausschließlich in den entsprechenden Kliniken untergebracht. Aber natürlich stellt die Behandlung von Covid-Patienten hohe Ansprüche, angefangen von der Schutzkleidung für unsere Mitarbeiter bis zur zeitintensiven Betreuung. Wir haben dafür extra eine Infektionsstation im ersten Stock eingerichtet, diese wurde komplett abgetrennt vom restlichen Bereich. Das haben wir zunächst auf eigene Kosten gemacht und das ist auch selbstverständlich. Ich gehe davon aus, dass die Sachkosten vom Landratsamt bezahlt und dass wir für diese Patienten Tagessätze bekommen werden. Die meisten erholen sich bei uns glücklicherweise übrigens relativ schnell nachdem sie intensiv, auch physiotherapeutisch behandelt wurden.
Nichtsdestotrotz haben Sie Ihre eigentlichen Patienten nach Hause geschickt, welche finanziellen Auswirkungen hat das?
Albert Duschner: Die Fixkosten laufen natürlich auch in einer Klinik weiter, gleichzeitig haben wir Ertragsausfälle, das ist ähnlich wie in einem Hotel. Wir haben die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und nur diejenigen, die für die Behandlung der Covid-Patienten erforderlich waren, blieben. Wie es mit Ausfallsentschädigungen aussieht, kann ich noch nicht sagen. Um die Existenz unseres Hauses müssen wir uns derzeit keine Sorgen machen. Wenn wir wie geplant im Juni/Juli wieder mit Rehapatienten starten, haben wir schon eine Menge Anmeldungen.
Wissen sie schon, wie Sie den Betrieb wieder hochfahren werden?
Albert Duschner: Anfangen werden wir mit Patienten mit posttraumatischen Belastungsstörungen und Hauterkrankungen. Diese Patienten haben keine Lungen- und Atemwegserkrankungen und sind nicht so gefährdet. Dann werden wir voraussichtlich weiter Post-Covid-Patienten betreuen, da kommen schon die ersten Anfragen von Berufsgenossenschaften. Wir sind derzeit intensiv damit beschäftigt, gemeinsam ein entsprechendes Konzept zu erarbeiten. Ziel ist es, mögliche Infektionsketten zu reduzieren.
Wir verfolgen diesbezüglich ständig die aktuellen Nachrichten und Meldungen, führen viele Gespräche und tauschen uns auch mit den anderen Rehakliniken vor Ort aus. Wir stehen alle vor denselben Herausforderungen.
Wie wird das Hygienekonzept aussehen?
Albert Duschner: Plexiglasscheiben, Abstandsregelungen, Desinfektionsmaßnahmen, Maskenpflicht. Wir müssen unsere Behandlungsgruppen verkleinern, es dürfen beispielsweise zeitgleich nur mehr drei statt sieben Personen auf den Ergometern radeln. Alles kommt auf den Prüfstand. Den Speisesaal werden wir wahrscheinlich dritteln, mit einem Zugang von außen, so dass man nicht mehr durch den ganzen Saal gehen muss. Es wird kein Buffetessen mehr geben, der Patient wird bedient, damit keine Schlange am Buffet entsteht. Wenn es sein muss, werden wir auch jemanden abstellen, der die Einhaltung der Regeln kontrolliert.
Aber Sie riegeln Ihre Klinik nach außen nicht ab?
Albert Duschner: Derzeit besteht noch ein Besuchsverbot, es sind jedoch bereits Lockerungen diesbezüglich geplant.
Keiner möchte, dass das Virus ins Haus gebracht wird, aber zusperren werden wir deshalb nicht, natürlich dürfen die „normalen“ Rehapatienten raus. Aber Sie werden gescreent. Ein positiver Covid-Patient darf sich natürlich erst dann frei bewegen, wenn er keine Symptome mehr hat und negativ getestet wurde.
Rechnen Sie mit vermehrten psychischen Erkrankungen durch die Krise?
Denkbar ist das durchaus. An Krankenschwestern, Altenpflegern oder Ärzten geht das nicht spurlos vorüber. Der eine kommt damit klar, der andere nicht und diese Menschen werden Hilfe brauchen.
Wie viele Patienten können Sie aufnehmen?
Albert Duschner: Wir haben bei uns gerade eine große Baustelle, weil wir sanieren. Die Bettenanzahl liegt jetzt bei knapp 100. Wenn wir mit den Arbeiten fertig sind, werden es 236 Betten sein, 185 davon für Patienten und der Rest für die Begleitpersonen. Das ist bei uns anders als in üblichen Rehakliniken: Unsere Patienten, vor allem die älteren mit Atemwegserkrankung, verreisen nicht mehr ohne die Ehegatten. Diese werden dann ebenfalls bei uns untergebracht, zu entsprechenden Konditionen.
Und wie viele Mitarbeiter sind bei Ihnen beschäftigt?
Albert Duschner: Mitarbeiterzahl nach Köpfen 131 Mitarbeiter, nach Vollkräften 100.
Was zeichnet einen Rehapatienten mit einer anerkannten Berufskrankheit aus?
Albert Duschner: Er hat das ganze Leben Anspruch auf immer wiederkehrende Rehabehandlungen. Wir haben Stammpatienten, die schon mehr als 15 Mal bei uns waren. Atemwegspatienten bleiben in der Regel vier Wochen, Hautpatienten drei Wochen, beim posttraumatischen Patienten sind es sechs, acht oder in seltenen Fällen auch etwas länger. Pro Jahr beherbergen wir rund 2.000 Personen in unserem Haus.
Wie hoch ist Ihre Auslastung?
Albert Duschner: Unsere Auslastung ist im Regelfall sehr hoch, die Belegung liegt regelmäßig über 90 Prozent. Wir sind saisonunabhängig, die einzige Zeit, in der es etwas ruhiger ist, ist um Weihnachten. Trotzdem haben wir auch dann immer noch so viele Patienten, dass der Betrieb rentabel ist. Wir bieten viele Aktivitäten, auch Weihnachtsfeiern an und das wird sehr geschätzt. Wenn dann noch Schnee fällt, sind alle begeistert und wer kann, besucht den Christkindlmarkt.
Warum hat sich Ihre Klinik Bad Reichenhall als Standort gewählt?
Albert Duschner: Man hat damals einen Standort mit Reizklima gesucht, also entweder Meeres- oder Bergklima. Zudem ist Bad Reichenhall ein Staatsbad, eingebettet in eine wunderbare Landschaft. Es gibt wenig Rehakliniken, die kein Highlight haben, man muss den Patienten ja etwas bieten. Wenn man mit einer Gallenoperation ins Krankenhaus muss, ist es einem relativ egal, wo sich dieses Krankenhaus befindet bzw. was drumherum geboten ist. In einer Rehaklinik ist das anders, da muss sich nicht nur der Körper, sondern auch der Geist erholen können. Entsprechend attraktiv sind auch unsere Zimmer gestaltet, in den sich Patienten und Gäste über einige Wochen wohlfühlen sollen, das trägt auch zur Genesung bei. Auch das Essen hat einen hohen Stellenwert, anders als in einer Akutklinik.
Was spricht noch für Bad Reichenhall?
Albert Duschner: Die Gegend, die Berge, die Seen, der Ort bietet gute Einkaufsmöglichkeiten, es gibt viele Cafés, viele Geschäfte und alles ist fußläufig, das wird von den Patienten sehr geschätzt. Man geht bei uns raus und ist in zehn Minuten in der Stadt. Vieles ist barrierefrei und seniorengerecht und wir profieren durchaus von der Vermarktung als Gesundheitsstandort. Natürlich lassen unsere Patienten und ihre Begleitung Geld in Reichenhall, ich denke schon, dass wir für Bad Reichenhall wichtig sind, auch wenn wir nicht die größte Klinik im Ort sind.
Wie sehen Sie die Zukunft des Gesundheitswesens?
Albert Duschner: Vor rund 20 Jahren hatte man prognostiziert, dass in etwa zehn Jahren die Atemwegserkrankungen ab 2010, spätestens 2015 abnehmen werden. Heute können wir sagen: Der Rückgang ist schleichend. Außerdem sind wir mit den beiden weiteren Indikationen gut aufgestellt. Die Behandlung von Post-Covid-Patienten wird wie gesagt ein Thema werden.
Das Interview führte Kathrin Thoma-Bregar