Auf dem Weg zum intelligenten Stromnetz
Prof. Dr. Hans-Peter Schwefel bearbeitet ein mit 3,5 Millionen Euro gefördertes EU-Projekt zur Optimierung des Stromnetzes
Bad Reichenhall – Prof. Dr. Hans-Peter Schwefel ist in Traunreut aufgewachsen. Mit seinem Start-Up „GridData“ möchte er das Stromnetz „intelligenter“ machen und die Digitalisierung in regionalen Verteilnetzen vorantreiben. Der in Anger lebende Informatiker, der unter anderem an der Aalborg Universität in Dänemark lehrt und ein Forschungszentrum in Wien wissenschaftlich geleitet hatte, hat nun ein von der europäischen Union gefördertes Forschungsprojekt gestartet – mit einem Volumen von 3,5 Millionen Euro.

Selbstverständlich schaltet man zuhause das Licht an, schaut fern, das Stromnetz liefert den Strom für Wasch- und Spülmaschine: Für Verbraucher ist dies Alltag. „Für die Betreiber der Versorgungsnetze ist das aber eine ziemlich große Herausforderung“, sagt Hans-Peter Schwefel, der vor eineinhalb Jahren GridData gegründet hatte. Mit seinem jungen Unternehmen möchte er durch digitale Technologien den Netzbetrieb und die Netzplanung optimieren und so als Folge auch die Netzausbaukosten senken, um bis zu 30 Prozent. Vor allem regionale Netzbetreiber will er damit ansprechen. Schwefel hat das Abitur am Traunreuter Gymnasium absolviert, an der Technischen Universität München studiert, später promoviert, und im Folgenden vor 15 Jahren eine Professur in Dänemark übernommen. Er unterrichtet länderübergreifend Studenten, sein Spezialgebiet ist die Kommunikationstechnologie und deren Anwendung auf die Energieverteilung.
Im Grunde genommen ist sein Start-Up ein Hersteller von Softwarelösungen zur Datenanbindung und zur Datenverwertung im Verteilnetzbetrieb. Zudem koordiniert Schwefel die Inhalte des von der Europäischen Union geförderten „Net2DG“-Projektes, das für dreieinhalb Jahre laufen und den Verteilnetzbetreibern wesentliche Vorteile ermöglichen soll. Darin werden Software-Lösungen und Algorithmen zur Datenauswertung entwickelt, die aus Messdaten Mehrwert für den Verteilnetzbetreiber schaffen sollen. Die Ergebnisse der Datenauswertung ermöglichen die Erkennung und Lokalisierung von Unterbrechungen im Stromnetz. „Außerdem lassen sich dadurch Verluste minimieren“, sagt Hans-Peter Schwefel, der mit seiner Familie in Anger lebt. „Der grenznahe Standort ist optimal“, sagt er, nicht nur, weil er aus der Region stammt, „sondern, weil GridData mit Partnern und Kunden in Deutschland und Österreich zusammenarbeitet.“ In Freilassing lernte er während der Gründungsphase Vertreter des Wirtschaftsservices Berchtesgadener Land kennen, die ihn mit Ratschlägen unterstützten und Fördermöglichkeiten für sein Start-Up aufzeigten. Mit Kollegen aus Österreich, Deutschland, Portugal und Dänemark startete er dann durch.
Schwefel sagt, dass es noch zahlreiche Möglichkeiten zur Optimierung der Stromnetze gibt, denn Technologien zur Digitalisierung entwickeln sich stetig weiter. So erfolgt die Versorgung der Verbraucher und die Anbindung der verteilten regenerativen Stromerzeuger durch die Mittel- und Niederspannungsnetze, deren Aufbau und Betrieb in Deutschland, Österreich und Skandinavien überwiegend durch regionale Verteilnetzbetreiber, etwa die Stadtwerke Bad Reichenhall, erfolgt. Diese Mittelspannungs- und Niederspannungsnetze werden meist noch auf Basis herkömmlicher Verbrauchs- und Erzeugungsprofile ausgebaut und betrieben. „Die Erkennung und Diagnose von Ausfällen in Niederspannungsnetzen passiert derzeit auf Grundlage von Kundenanrufen“, sagt Schwefel. Die genaue Diagnose erfolgt dann meist durch Messungen vor Ort. Allerdings existiert mittlerweile eine wachsende Zahl digitaler Datenquellen im Stromnetz, darunter in Zukunft intelligente Sromzähler und schon heute intelligente Wechselrichter, die lokale Stromspeicher und regenerative Erzeuger in das Verteilnetz integrieren. Bislang würden die Informationen aus diesen Datenquellen aber noch nicht zur Optimierung des Stromnetzes im Betrieb genutzt, so Schwefel.

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Innerhalb des „Net2DG“-Projektes sollen Messdaten mit Informationen aus bereits beim Netzbetreiber vorhandenen Datenquellen miteinander verbunden werden. Hans-Peter Schwefel sagt, dass innovative Anwendungen „zur Messung der Netzqualität, zur Verbesserung der Betriebseffizienz und zur schnellen Diagnose von Ausfällen die Basis für die zukünftige digitalisierte Netzplanung und den Verteilnetzbetrieb sind.“ Durch die zusätzlichen Steuerungsmöglichkeiten in den Smart Metern und intelligenten Wechselrichtern wird die Automatisierung des Netzbetriebs auf das Niederspannungsnetz erweitert. Smart Meter sind intelligente Zähler, die digital Daten empfangen und senden und dazu in ein Kommunikationsnetz eingebunden sind. Empfangene Daten sind etwa Tarifänderungen, gesendete Daten der Stromverbrauch oder auch Spannungsmesswerte. Solche Zähler sind schon seit den 1990er Jahren vor allem für Großkunden im Einsatz. In Skandinavien sowie auch manchen südeuropäischen Ländern sind solche Zähler auch schon seit mehreren Jahren in Privathaushalten installiert. Für Schwefel ist dieser Schritt ein entscheidender Vorteil: „Die Stromverbraucher sollen davon profitieren.” Das soll mitunter durch die abgesicherte Netzqualität, durch automatisierte Abläufe und Informationsmöglichkeiten im Fehlerfall erfolgen. „Zudem wird der Betrieb des Stromnetzes kosteneffizienter, ebenfalls der Ausbau der Verteilnetze“, sagt Hans-Peter Schwefel. Insbesondere die Anforderungen und Bedürfnisse regionaler Anbieter sollen abgedeckt werden: „Sie können dadurch frühzeitig von den Möglichkeiten der Digitalisierung profitieren“, so der Angerer. Durch das EU-Projekt, das mit 3,5 Millionen Euro Fördersumme zu einem der größten in der Region zählt, werden die Daten intelligenter Zähler und Wechselrichter für regionale Verteilnetzbetreiber nutzbar gemacht - „unter dem Schutz der Privatsphäre der Verbraucher.“ Natürlich sei dies alles noch viel Arbeit, sagt Schwefel, aber die technischen Komponenten stehen bereit. Die nächsten drei Jahre widmet sich Schwefel intensiv dem innovativen Projekt, das mit den Stadtwerken Landau sowie einem Verteilnetzbetreiber in Dänemark bereits zukünftige Kunden einbindet.