„Mitarbeiter merken sich, wie sie in der Krise behandelt wurden“
Hotels und Gastronomiebetriebe sind aktuell geschlossen, viele Angestellte sind in Kurzarbeit, einige Betriebe mussten sogar Mitarbeiter entlassen. Aber was ist mit denjenigen, die mitten in der Ausbildung sind und weder in die Berufsschule noch in den Betrieb gehen dürfen?
Marius Hupfauf steckt mitten in seinem zweiten Ausbildungsjahr am Berchtesgadener Kempinski Hotel. Der angehende Hotelfachmann arbeitet gerade in der Eventabteilung als die Welle der Corona-Epidemie auch über den Alpenlandkreis hereinbricht. „Es war ziemlich schockierend und traurig“, sagt Marius über den Zeitpunkt als es nur noch Stornierungen statt Buchungen zu bearbeiten gab und ihm seine regulären Aufgaben letztendlich ganz ausging. Dass er schließlich nach Hause geschickt werden musste, war abzusehen. Frühzeitig informierte die Hotelleitung ihre Mitarbeiter in immer häufiger stattfindenden „Zam Sitzn“-Besprechungen über die aktuelle Lage. Eine Zusicherung der Lohnfortzahlung für den März nahm den Betroffenen in der turbulenten Corona-Anfangszeit zumindest die erste Sorge. Aber für Marius und die anderen 23 Auszubildenden am Berchtesgadener Kempinski geht es um mehr. Sie befinden sich mitten in ihrer Berufsausbildung, durch die Krise fehlt ihnen wertvolle Zeit zum Sammeln von Erfahrung.

Marius Hupfauf (fünfter v.l.) und seine Azubikollegen vom Hotel Kempinski vor Corona-Zeiten
Menüschreiben am heimischen Küchentisch statt in der Hotel-Großküche
Im Kempinski-Hotel, das laut Focus Money zu den besten Ausbildern im Land gehört, wird deshalb alles getan um das abzufedern. Belinda Heimann ist die Ausbildungsbeauftragte im Hotel. Normalerweise schreibt sie Rotationspläne, lädt zu monatlichen Azubimeetings, koordiniert Großprojekte und Wettbewerbe. Jetzt ist sie vor allem Krisenmanagerin und Betreuerin mit offenem Ohr für ihre Schützlinge. „Ich bin mit den Auszubildenden telefonisch in Kontakt, frage wie es ihnen geht, ob bei ihren Familien alles in Ordnung ist“, erzählt sie. Per E-Mail schickt sie wöchentlich Aufgaben, die die angehenden Hotelfachkräfte Zuhause bearbeiten. Auf dem Stundenplan stehen Themen wie Menüschreiben, Zubereitungsarten, Garmethoden oder saisonales Gemüse. Im hauseignen Online-Tool gibt es außerdem tausende Videos und Schulungsmöglichkeiten, die die Azubis nutzen können. „Ich bin ganz froh darum, eine Aufgabe zu haben und weiterhin lernen zu können“, zeigt sich Marius dankbar für die intensive Betreuung durch seine Ausbilderin.
Verantwortung wird großgeschrieben
Ausbildung hatte schon immer einen hohen Stellenwert in dem Hotel am Obersalzberg, weiß General Manager Werner Müller. Deshalb müsse auch in Krisenzeiten alles dafür getan werden, dass keine wertvolle Zeit verloren geht. „Wir können die Azubis nicht hängen lassen, es muss für sie weitergehen“, erklärt Müller. „Auch wenn sich die Thematik Personalmangel vielleicht etwas ändern wird, können wir nicht in goldenen Zeiten klagen und in Krisen eine andere Strategie verfolgen. Wir werden irgendwann wieder öffnen und dann auch wieder alle an Bord brauchen. Letztendlich werden sich die Arbeitnehmer merken, wer sie gut behandelt hat.“
Da sein, Fragen beantworten, Unsicherheit nehmen
Entlassen werden musste bis dato keiner seiner Mitarbeiter. Die meisten sind in Kurzarbeit, der Lohn wird von Seiten des Hotels zu 95 Prozent des Nettogehaltes auf das Kurzarbeitergeld aufgezahlt. Ein Luxus, den sich natürlich nicht jedes Hotel leisten kann. Müller geht es aber nicht nur darum, seinen Mitarbeitern die finanziellen Sorgen zu nehmen, sondern auch als Ansprechpartner bereit zu stehen. „Alle Mitarbeiter haben meine Handynummer und wissen, dass sie mich 24 Stunden am Tag anrufen können“, betont er. „Diese Zeiten bedeuten Unsicherheiten in vielen Lebensbereichen, da sollten wir zumindest dazu beitragen, ihnen im Arbeitsbereich so viel Sicherheit wie möglich zu vermitteln.“ Durch eine klare Kommunikation könne vorausschauend geplant werden. Außerdem bleiben die Mitarbeiter motiviert, wenn jemand für sie da ist, dem sie Fragen stellen können. Im besten Fall sind dann auch die Mitarbeiter da, wenn das Hotel wieder aufsperren kann. Marius Hupfauf jedenfalls kann es kaum erwarten wieder zu arbeiten – auch wenn die Abläufe mit Mindestabstand und Mundschutz andere sein werden.
Das Interview führte Jana Dixon