Freilassinger Vorzeigegründer bietet Einzelhändlern eine Zukunft
Roman Heimbold, Geschäftsführer von Atalanda, ist Inhaber und Geschäftsführer des Freilassinger Start-Ups, das derzeit bundesweit für Schlagzeilen sorgt. Sein Ziel: Mit seinem Modell sollen Einzelhändler dem zunehmenden Online-Boom erfolgreich begegnen.
„Kauf doch, wie du willst - Online oder Offline“, sagt Roman Heimbold und lacht. Dass ihm zum Lachen zumute ist, hat auch viel damit zu tun, dass die Idee, die er und sein mittlerweile zehnköpfiges Team umsetzen, bundesweit sehr gut ankommt. Mittlerweile sind Städte wie Hamburg, Dortmund und Wuppertal an Atalanda angeschlossen. Die digitale Einkaufsstadt Freilassing gibt es seit Mai 2017.
Roman Heimbold kommt ursprünglich aus Norddeutschland, er ist der Liebe wegen in den Süden gezogen und wohnt nun in Bayerisch Gmain.
Heimbold studierte in Reutlingen und Dublin Betriebswirtschaftslehre, arbeitete bei einem großen bayerischen Automobilkonzern, war Geschäftsführer in einer Media Agentur. „Wenn die richtige Idee kommt, steige ich aus“, dachte er sich schon seit Langem. Als Amazon, das Online-Weltkaufhaus, irgendwann eine Pressemeldung verschickte, in der angekündigt wurde, Produkte noch am selben Tag liefern zu wollen, dachte sich Heimbold: „Die armen Einzelhändler.“ Und so war die Idee geboren, die 2018, knapp fünf Jahre nach dem Start, zu einem ausgereiften, auf selbst entwickelter Software basierten System geworden ist, nachdem er klein begonnen hatte. Von zuhause aus, „im Garagenbereich“, sagt er mit einem Lächeln. „Wir ermöglichen Einzelhändlern, Online sichtbar zu werden.“ Den zunehmenden Online-Boom beobachtet er mit Sorge – im Sinne der Einzelhändler. Denn dass der Einzelhandel langfristig gesehen ein Auslaufmodell ist, ist kaum wegzudiskutieren. „Abheben können sich die Händler einzig durch eine gute Beratung, die sie leisten“, sagt der Unternehmer.
Das Ziel war, Einzelhändlern zu ermöglichen, ihre Waren über ein Softwaresystem anzubieten, um Kunden vor Ort die Wahl zu lassen: entweder direkt hinfahren, Produkt anschauen und kaufen oder aber online bestellen und liefern zu lassen. Neben der aufwändigen Programmierung einer entsprechenden Software ist es für Heimbold immer ein großes Problem gewesen, Logistiker zu finden, die die Waren kostengünstig beim Händler abholen und zum Kunden bringen. „Zehn bis 15 Euro pro Fahrt“, lautete ein Angebot, das finanziell nicht zu bewerkstelligen war. „Bei solchen Preisen kauft niemand“, sagt er. Mittlerweile wurde ein System entwickelt, das deutlich kostengünstiger zu realisieren ist. In Hamburg und Salzburg suchte Heimbold nach Händlern, die mitmachten. Die Begeisterung war zunächst groß. Pro Stadt schlossen sich 20 Händler mit 400 Produkten an. Die Sache ging in die Hose. „Wir waren nicht relevant genug“, sagt Heimbold heute.
Abwarten ist die schlechteste Variante
Doch er ließ sich durch den Rückschlag nicht entmutigen. In Freilassing fand er mit Hilfe des Wirtschaftsservices ideale Geschäftsräume. Dann wurde die Stadt Wuppertal auf Atalanda aufmerksam. 25 Händler machten mit. Die ersten Erfolge zeichneten sich ab, das Konzept nahm an Fahrt auf. „Allerdings mangelte es an Produkten.“ So entwickelte sein mittlerweile angewachsenes Team ein Programm, mit dessen Hilfe man Warenwirtschaftssysteme aufspielen kann. „Ein örtlicher Buchhändler hat dann schnell mal ein paar Hunderttausend Bücher im Angebot.“ Mittlerweile nutzt die Schweizer Post Atalandas Programme, in Luxemburg sind regionale Händler online gegangen, 250 Anfragen verschiedener Orte hatte Heimbold bereits. „Das Problem ist bisweilen der fehlende Kümmerer.“ Denn Händler müssen vor Ort betreut werden, um ein Vertrauensverhältnis aufbauen zu können. Etwa, um bei Fragen Antworten zu erhalten. Neben dem Kümmern ist es wichtig, dass die heimische Bevölkerung über das Konzept Bescheid weiß. Heimbold ist zuversichtlich, dass auch diese Schwierigkeit nur eine Frage der Zeit ist. Dass der Online-Boom weiter zunimmt und es für den Einzelhandel zunehmend schwieriger wird, diese Gefahr lasse sich nicht einfach wegdiskutieren. Abwarten und zusehen? Für Heimbold ist das die schlechteste aller Varianten.
Wege zum digitalen Handel
Freilassing aus dem Berchtesgadener Land ist in Bayern Vorreiter für die digitale Einkaufsstadt. Unter atalanda.com/freilassing kann online eingekauft werden. Die bestellte Ware wird noch am gleichen Tag geliefert. Realisiert wird die Einkaufsstadt von der Freilassinger Firma Atalanda. Auch große Städte setzen auf das Konzept von Geschäftsführer Roman Heimbold, der durch die Vermittlung des Berchtesgadener Land Wirtschaftsservices im Rahmen des BGLW-Gründerservices zu dem heimischen Auftrag kam.

Roman Heimbold, Geschäftsführer von Atalanda, erklärt sein Modell der digitalen Einkaufsstadt.
Bietet Atalanda eine Online-Plattform mit Warenlieferung wie Amazon oder ist es ein Angebotsportal?
Roman Heimbold: Wir bieten beides. Auf unserer digitalen Plattform können sich Kunden über ihre heimischen Dienstleister und deren Angebote informieren und wenn sie wollen auch Waren bestellen. Wir haben festgestellt, dass Kunden durchaus gerne lokal einkaufen, wenn sie dazu im Web sehr schnell Informationen finden und sich Waren liefern lassen können. Die Geschwindigkeit großer Anbieter wie Amazon mit Prime schaffen jedoch lokale Händler nur, indem sie mit Kurierdiensten vor Ort zusammenarbeiten. Diese Dienste organisieren wir zu normalen Versandkosten. Das Attraktive für die Händler ist jedoch, dass sich sehr viele Kunden online nur informieren und dann selbst vor Ort einkaufen wollen. Wir verbinden also den traditionellen Einzelhandel vor Ort mit der digitalen Welt.
Atalanda ist sehr erfolgreich auf Wachstumskurs. Immer mehr Kommunen kommen auf Sie zu, Sie realisieren inzwischen Plattformen in Städten wie Hamburg, Wien oder Zürich, dort als Partner der Schweizer Post. Was ist außer dem interessanten Produkt Ihr Erfolgsgeheimnis?
Roman Heimbold: Wir haben festgestellt, dass ein Projekt dann Erfolg hat, wenn die Beteiligten vor Ort von sich aus interessiert und motiviert sind. Wir beginnen nur dann, wenn sehr engagierte Einzelhändler das wollen und ein Projektleiter vor Ort sich um die Organisation kümmert. Im Fall von Freilassing ist das das Wirtschaftsforum (Wifo) Freilassing. Für die Einzelhändler ist es außerdem wichtig, dass sie im Vordergrund stehen, nicht unsere Firma. Das stärkt nicht nur ihr eigenes Geschäft, das stärkt das Profil einer ganzen Stadt. Hier stiften wir im wahrsten Sinne des Wortes Identität.
Wer gab den Impuls zum Projekt digitale Einkaufsstadt Freilassing?
Gudrun Rehrl: Der Impuls kam ursprünglich aus den Reihen der WIFO-Mitglieder und konnte aufgrund einer Förderung des Wirtschaftsministeriums und mit Begleitung der Wirtschaftsförderung in Angriff genommen werden.
Roman Heimbold: Die Wirtschaftsförderung Berchtesgadener Land hat uns mit der Wifo in Verbindung gebracht, wo gerade die Ausschreibung lief. Das WFG-Team hat unserem jungen Unternehmen einen optimalen Start in Freilassing ermöglicht und begleitet unseren Erfolgsweg weiter.
Ist Freilassing Vorreiter in Deutschland?
Gudrun Rehrl: Freilassing ist nicht Vorreiter in Deutschland, wohl aber in Bayern. Wir sind die erste Stadt in Bayern, die den digitalen Onlinemarktplatz der Freilassinger Firma Atalanda in Angriff genommen hat. In einer professionell und ansprechend gestalteten Online-Umgebung wird Freilassing zu einem virtuellen Einkaufszentrum.
Was wurde bisher erreicht?
Gudrun Rehrl: Aktuell haben wir rund 35 der teilnehmenden Unternehmen mit ihrem Online-Cityprofil, einer Online-Visitenkarte mit professionellen Bildern, online. Der Besucher erhält einen ersten Eindruck vom Geschäft und vor allem: Er lernt die Personen kennen, die für dieses Unternehmen stehen und erfährt, welche Produkte und Marken das Unternehmen führt.
Wie geht es weiter?
Im Mai wird der Online-Marktplatz mit Produkten und der Möglichkeit, online zu bestellen und sich die Waren am gleichen Tag liefern zu lassen, freigeschaltet. Für zentrale Geschäfte mit Schaufenstern wird es im Laufe des Jahres auch die Möglichkeit geben, ein digitales Schaufenster zu installieren. Das sind Smart-TVs, die aktuelle Angebote und Wissenswertes zum Geschäft und zu Freilassing anzeigen. Außerdem möchten wir gerne noch ein extra Angebot für Lokale anbieten.
Was raten Sie anderen Einkaufsstädten. Sollten sie ebenfalls eine digitale Einkaufsstadt aufziehen?
Wichtig ist es vor allem, den Händlern vor Ort eine klare Vorstellung zu geben, welche Vorteile ihnen das Projekt bringt. Aufzuzeigen, dass ein Zusammenhelfen und ein gemeinsamer Auftritt eine weitaus stärkere Wirkung haben als viele kleine einzelne Auftritte. Wichtig ist es auch, dass eine aktive Gruppe vor Ort entsteht, die als Ideenschmiede und Initiatorengruppe Aktionen vorantreibt. Wir können nur den Rahmen schaffen – dass die Digitale Einkaufsstadt mit Leben erfüllt wird, kann nur von den Händlern selbst kommen.
Doris Goossens
Interview mit Roman Heimbold, Geschäftsführer von Atalanda GmbH11 KB